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Cathleen Drebenstedt-Haferkorn
InterviewLesedauer 8
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Das Ende der Kohle als Neuanfang

Der Strukturwandel ist in der Lausitz das beherrschende Thema. Doch bevor Flächen für einen Neuanfang mit Industrie und Gewerbe, für Natur und Tourismus bereitstehen, müssen die ehemaligen Tagebaue saniert und gesichert werden. Daran arbeitet ein IPROconsult-Team um Cathleen Drebenstedt-Haferkorn in der Niederlassung Lausitz.

Was macht die Bergbausanierung zu einem spannenden Arbeitsfeld, Frau Drebenstedt-Haferkorn?

Es ist die stetige Veränderung: Wir können hier in der Lausitz fast täglich verfolgen, wie sich Landschaft entwickelt. Diese Region, meine Heimat, stirbt nicht mit dem Ende des Braunkohletagebaus, sie lebt weiter und blüht gerade wieder auf. Immer mehr wird die Öffentlichkeit eingebunden, kommen Ideen für den Wandel aus der Region. Die Fördermittel aus dem Kohleausstiegsgesetz sind da, jetzt braucht es unser Engagement und unsere Ideen. Denn Geld allein bringt keine Zukunft. An diesem Wandel arbeite ich gerne mit. Und die Bergbausanierung für die LMBV ist ein wesentlicher Baustein, der den Strukturwandel erst möglich macht.

Interview mit Cathleen Drebenstedt-Haferkorn

Seit 30 Jahren sichert und gestaltet die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) erfolgreich Bergbaufolgelandschaften. Die LMBV ist Ihre größte Kundin. Welche Aufgaben erledigen Sie für sie?

Etwa die Hälfte der Projekte, die wir über einen Rahmenvertrag erhalten, betrifft die Grundlagenermittlung. Auf bergbaulich in Anspruch genommenen Flächen ist vor Beendigung der Bergaufsicht eine Grundlagen- und Zustandsermittlung zum Nachweis des Sanierungserfolges durchzuführen. Dies bildet über Jahre den Großteil des Vertrags. Die Grundlagenarbeit besteht in der Aufarbeitung der bergbaulichen Historie, also welche Gebäude und Betriebsanlagen sich auf den jeweiligen Flächen befanden. Die Sanierungsziele des Abschlussbetriebsplans zu Verbleib, Verkauf von bergbaulichen Anlagen sowie deren Rückbau ist zu ermitteln. Der schrittweise Rückbau durch den Bergbausanierer funktionierte nicht immer reibungslos. So befinden sich noch immer Restanlagen und Reststoffe der Beräumung auf den jeweiligen Flächen. Es gibt den historischen Ausspruch aus dem Bergbau: „Vor der Hacke ist es duster.“ Das beschreibt es gut: Wir wissen nie, was wir finden, bevor wir tatsächlich nachsehen – was nach 35 Jahren Bewuchs eine sportliche Herausforderung ist. Unsere räumliche Nähe zu allen Tagebaubereichen des Lausitzer Reviers kommt uns zugute, aber auch unsere Expertise als Insider: So kennt mein Team die Alttagebaue und Restlöcher seit Jahrzehnten; sind wir doch alle hier aufgewachsen, haben in der Region und für den Braunkohletagebau gearbeitet.

Grundlagenermittlung auf früher bergbaulich in Anspruch genommenen Flächen
Grundlagenermittlung auf früher bergbaulich in Anspruch genommenen Flächen


Was ist mit der anderen Hälfte der Projekte aus dem Rahmenvertrag?

Aus der Grundlagen- und Zustandsermittlung haben sich über Jahre Folgeaufträge ergeben, an denen wir mitwirken. Es sind berg- und wasserrechtliche Beantragungen beim Bergamt zu erarbeiten, Leistungsverzeichnisse und Abbruchtechnologien gehören ebenfalls dazu. Mit Beginn der Sanierungsarbeiten kommen Bauüberwachungsleistungen im Neubau, dem Rückbau, der Restberäumung sowie Verwahrung von Brunnen und untertägiger Grubenbaue hinzu. Einen Großteil unserer Arbeit widmen wir aktuell der Bauüberwachung notwendiger Verdichtungsarbeiten auf Innenkippen und an Böschungen künftiger Tagebauseen. Dafür gibt es verschiedene Methoden: Die schonende Sprengverdichtung, die Rüttelstopfverdichtung oder die Fallgewichtsverdichtung. Sie alle dienen der geotechnischen Sicherung zum Ausschluss von Gefährdungen. Nicht weniger interessant ist die Sichtung des Archiv-Bestands der LMBV über Zeiträume der Tagebauplanung bis zur aktuellen Sanierung. Das Archivmaterial ist im Bestand zu reduzieren, neu zu ordnen beziehungsweise zu entsorgen, und das unter dem strengen Auge von bergbaulichen Aufbewahrungs- und Nachweispflichten.

An der "Restlochkette" der Tagebaue Sedlitz, Skado und Koschen
An der "Restlochkette" der Tagebaue Sedlitz, Skado und Koschen


Wo liegen die Stärken Ihres Teams bei den gestellten Aufgaben?

Wir arbeiten hier alle sehr gewissenhaft und mit dem Blick fürs Detail. Gerade bei der Grundlagenermittlung und bei den Recherchen in Risswerken ist ein gewisser Grad an Detailbesessenheit von Vorteil. Das Team besteht bei uns auch aus Quereinsteigern, die sich perfekt eingearbeitet haben. Gleichzeitig leben wir eine wertschätzende, offene Kommunikation, die uns zu einem vertrauten Team zusammengeschweißt hat.


Ganz Deutschland redet über den Fachkräftemangel. Sie auch?

Wir reden weniger, wir handeln. Da einige Kollegen aus dem Team an der Altersgrenze arbeiten, suchen wir aktiv nach jüngeren Kollegen – auch in mittleren Altersgruppen. Dabei kommt es uns vor allem auf die Persönlichkeit der Bewerber an. Gerne können diese als Quereinsteiger auch neue Fähigkeiten ins Team einbringen. Neben vielen Rückkehrern, denen wir jetzt durch die riesigen Investitionen und den Strukturwandel in der Lausitz eine neue Perspektive bieten können, kommen aus allen Teilen Deutschlands zum Beispiel junge Familien in die Lausitz, die hier noch günstig Grundstücke erwerben oder in komfortable Neubauten einziehen. Aktuell bemerken wir einen Trend, dass Städter in der Lausitz unsanierte Dreiseithöfe kaufen und hier ihren Lebenstraum verwirklichen. Denn die Lausitz hat viel zu bieten und legt nach dem Ende der Braunkohlenförderung gerade einen tollen Neustart hin: Ideen und Innovationen sind hier wirklich gefragt.


Die Bergbausanierung der LMBV wird vom Bundeministerium für Finanzen als „Erfolgsgeschichte der deutschen Einheit“ bezeichnet. Wie sehen Sie das?

Ohne die deutsche Einheit gäbe es keine Finanzmittel für die Region. Das wiedervereinigte Deutschland hat die politische Verpflichtung aus der DDR-Vergangenheit übernommen und stellt seit dem vereinbarten Ausstieg aus der Braunkohle-Verbrennung Finanzmittel in Milliardenhöhe zur Verfügung. Das ist ein großes Glück für die Lausitz! Wenn man unsere heutige Situation mit den Tagebaugebieten in Tschechien und Polen vergleicht, wird schnell deutlich, welch großartige Chancen sich uns durch die Förderung des Bundes bieten.

Die Bergbausanierung leistet einen entscheidenden Beitrag für den Strukturwandel in der Lausitz. Welchen Anteil hat IPROconsult an diesen Arbeiten?

Mit der Bergbausanierung sorgen wir dafür, dass große Flächen wieder nutzbar werden für Industrie und Gewerbe, für Wohnungsbau und Handel aber auch für Tourismus und Natur. Viele der sanierten Gebiete sind heute geschützte Flächen für Fauna und Flora. IPROconsult hat aber auch beispielsweise Büro- und Geschäftsgebäude, das Kundenzentrum des WAL am Stadthafen Senftenberger See oder das Strandhotel Senftenberg entworfen, Industriegebäude am Standort Kodersdorf in der Oberlausitz geplant oder mit dem Neubau des Kompetenzzentrums für Gründer und Gewerbe, DOCK3, die Infrastruktur für die industrielle und gewerbliche Ansiedlung geschaffen.

Strandhotel in Senftenberg
Strandhotel in Senftenberg


Aus Berlin wurden etliche Milliarden für den Strukturwandel zugesagt. Wo steht der Strukturwandel in der Lausitz heute?

Wir stehen heute noch am Anfang dieses Strukturwandels, sind aber auf einem guten Weg. Neues wird hier in der Region leider immer etwas skeptisch betrachtet und viele finden eine Menge Argumente gegen Innovation. Aber es gibt auch eine Reihe von positiven Entwicklungen. Wir müssen hier einfach vieles ausprobieren und gegebenenfalls scheitern. Aber Scheitern ist nichts Schlechtes, wir müssen nur aus den Fehlern lernen. Wichtig ist deshalb, Mut zu haben und offen zu sein für Neues!

An welchen Punkten machen Sie den Erfolg des Strukturwandels in der Lausitz fest?

Da ist natürlich das primäre Ziel aller Anstrengungen zum Kohleausstieg: das Schaffen neuer Arbeitsplätze. Im gleichen Zuge gilt es aber, Fachleute auszubilden und sie von außerhalb – auch aus dem Ausland – zu uns zu holen. Da haben wir noch einiges zu tun. Weiter sind wir bei den Naturschutzgebieten: Hier wurde viel getan, was man beispielsweise an der Verbreitung des Wolfs in der Lausitz sieht – aber auch an anderen Tier- und Pflanzenarten, beispielsweise bei seltenen Moosen.

Der Strukturwandel muss aber auch Rücksicht nehmen auf regionale Identitäten. So dürfen die sorbische Kultur und Sprache nicht untergehen bei Innovation und Wachstum. Das letzte umgesiedelte Dorf ist hier ein gutes Beispiel: Mühlrose musste dem Tagebau Nochten weichen. Im Mai 2024 weihte der Tagebaubetreiber LEAG den gerade entstandenen Ortskern von Neu-Mühlrose ein. Der Ort verfügt über eine moderne Infrastruktur; die alten nachbarschaftlichen Beziehungen und die sorbischen Wuzeln wurden aber nicht gekappt.

Im Zuge des Strukturwandels entstanden Naherholungsgebiete, wie der einmalige Findlingspark Nochten, aber auch touristische Magnete wie das Besucherbergwerk F60, der kleine Pfad zur Geschichte in Welzow, die Energiefabrik Knappenrode, Ferropolis in Gräfenhainichen oder die Veranstaltungen am Bärwalder See. Innovation und Forschung zeigen ihre Stärken beispielsweise mit dem grünen Wasserstoff aus der Gigawatt-Factory der LEAG in Boxberg oder der Floating PV auf dem Cottbuser Ostsee. Aber gerade in diesem Bereich hoffe ich noch auf viele neue Ideen und deren Umsetzung.

Die Niederlassung Lausitz beim Besuch der Energiefabrik Knappenrode
Die Niederlassung Lausitz beim Besuch der Energiefabrik Knappenrode


Das Bundesfinanzministerium schreibt in einem Monatsbericht: „Auch zukünftig bestehen noch große Herausforderungen für die Bergbausanierer bei der Herstellung der Sicherheit der Lausitzer Tagebaukippen sowie bei den bergbaulich beeinflussten Fließgewässern.“ Gibt es hier Projekte, an denen IPROconsult beteiligt ist?

Wir sind wie bereits erwähnt mit den unterschiedlichen Verdichtungsmethoden in der Bauaufsicht aktiv. Es bieten sich für IPROconsult aber auch noch weitere Chancen, beispielsweise durch den Einsatz des physikalisch-begründeten Prozessmodells Erosion-3D, das IPROconsult gemeinsam mit Universitäten und anderen Institutionen mitentwickelt hat.

Seeseitige Rütteldruckverdichtung am Silbersee in der Lausitz
Seeseitige Rütteldruckverdichtung am Silbersee in der Lausitz


Das Ende des Braunkohletagebaus hat aber nicht nur positive Auswirkungen: Der steigende Grundwasserspiegel nach dem Ende des Braunkohletagebaus kann sich zu einem Problem für die Region entwickeln, vor allem für Infrastrukturanlagen und Wohngebäude.

Den Grundwasserspiegel zu halten, ist eine Ewigkeitsaufgabe – wie im Rheinland. In meiner Heimatstadt Weißwasser wurde der Braunkohlenbergbau bereits im 19. Jahrhundert betrieben. Das ‚Braunkohlenwerk Weißwasser‘ erstreckte sich nördlich des Stadtgebiets. Während des aktiven Braunkohlebergbaus wurde das Grundwasser großflächig abgesenkt, um die Tagebaue trocken zu halten. Dies führte dazu, dass zuvor feuchte oder sumpfige Gebiete trockenfielen und somit für die Bebauung attraktiv wurden. Nach der Stilllegung der Tagebaue wurden in diesen Gebieten Wohnhäuser und andere Infrastrukturen errichtet. Mit dem Wiederanstieg des Grundwassers könnten diese Bauten nun gefährdet sein. Der Grundwasserspiegel war hier jahrzehntelang abgesenkt und Veränderungen können dramatische Auswirkungen haben. Deshalb entwickelte man ein länderübergreifendes Wasserhaushaltskonzept „Grundwassermodell Lausitz“. Aber auch Erdrutsche, wie das dramatische Ereignis am Concordiasee in Nachterstedt vor 16 Jahren, stellen noch eine latente Gefahr dar, die die LMBV aber durch gezielte Maßnahmen zur Uferbefestigung von Restlöchern immer weiter reduziert. Deshalb arbeiten wir als IPROconsult so intensiv an der Bergbausanierung.

Vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Einblicke.

// Das Interview führte Dominik Schilling.

Cathleen Drebenstedt-Haferkorn ...

... erwarb ihren Masterabschluss an der TU Bergakademie Freiberg in der Studienrichtung Rohstoffgewinnung. Im Mai 2024 kam sie zu IPROconsult und übernahm wie geplant Anfang 2025 die Leitung der Bergbau-Abteilung in der IPROconsult-Niederlassung Lausitz. Sie verfügt zudem über eine Zusatzqualifikation als Fachkraft für Arbeitssicherheit, über Fachkunde als Strahlenschutzbeauftragte und ist Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatorin (SiGeKo).
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