Suche verwenden
Geschäftsführer Lutz Junge gewährt im Interview Einblicke in Unternehmen und Markt, er eröffnet Zukunftsperspektiven und wirft einen kritischen Blick auf die neuen Branchentechnologien.
InterviewLesedauer 7:49 Minuten
E-Mail

IPROconsult als Vorreiter bei der Anwendung neuer Technologien

Geschäftsführer Lutz Junge gewährt im Interview Einblicke in Unternehmen und Markt, er eröffnet Zukunftsperspektiven und wirft einen kritischen Blick auf die neuen Branchentechnologien. 

Herr Junge, wo sehen Sie heute die größten Herausforderungen in der Baubranche?

Aktuell ist nicht klar, wo die Reise hin geht. Die Wahlen in Deutschland brachten einen politischen Umschwung, aber ebenso Instabilität, die sich auch bei der EU zeigt. Hinzu kommt: Corona hat die Lieferketten in den vergangenen zwei Jahren erheblich durcheinandergewirbelt und seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine muss sich jetzt alles neu finden. Für uns stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen hat diese Gemengelage auf die öffentlichen und privaten Investoren? Wir sehen im Markt aktuell keine ‚Notbremse‘, aber für mittelfristige Planungen eine erhebliche Unsicherheit. Die Lage ist im Moment nicht günstig für langfristige Investitionen. Wir hoffen, dass wir bald wieder mehr Stabilität erleben und sich das Investitionsklima deutlich verbessert. 

Sind der Wegfall der Mindest- und Höchstsätze beim Architektenhonorar vor gut einem Jahr und das freie Verhandeln von Projektverträgen noch ein Thema im Markt?

Das ist immer ein Thema. Besonders in Regionen, in denen der Wettbewerb stark ist, spielen Preisverhandlungen eine Rolle. Dabei stehen die erwartete Leistung und die teils hohen Anforderungen nicht immer mit der zu erwartenden Vergütung in Einklang. Die erzielten Honorare sind aber nicht existenzgefährdend für uns. Da wir im Markt als großes Unternehmen mit mehr als 400 Beschäftigten und als Generalplaner mit allen Gewerken im eigenen Haus auftreten können, bewegen wir uns zudem oberhalb der Leistungsgrenze vieler Wettbewerber.

Wo sehen Sie aktuell das größte Wachstumspotenzial für Ihr Unternehmen?

Zum einen kommen viele Aufträge aufgrund von gesellschaftlichen Themen, wie Sanierung von Bildungseinrichtungen und Wohnraumknappheit. Schulen und andere Bildungseinrichtungen beschäftigen uns heute ebenso wie spannende Lösungen im erschwinglichen Wohnungsbau. Dank unserer regionalen Nähe aufgrund des großen Niederlassungsnetzes erhalten wir auch viele Aufträge aus der Industrie – wobei dieser Bereich sehr schnell und dynamisch auf die Veränderungen der Rahmenbedingungen reagiert. Jüngste Beispiele sind hier die Klimadebatte und vor allem die Probleme bei der Energieversorgung. Auch bei der Infrastruktur ist noch viel zu planen, vor allem in den alten Bundesländern. 

Die Digitalisierung von Prozessen ist heute eine der großen Herausforderungen in der Architektur- und Baubranche. Wo stehen Sie bei IPROconsult?

Jeder in der Branche erklärt, wie toll er in BIM ist. Trotzdem sehen wir uns hier im vorderen Bereich, denn wir begreifen BIM als das, was es ist: eine Methode, die wir durchdrungen haben – und nicht eine Software zum Planen in 3D. IPROconsult ist gut aufgestellt mit BIM im Hochbau, und wir wollen jetzt auch in der Infrastruktur das Beste aus der Methode herausholen. Denn wir konzentrieren uns auf das Projekt und die nachhaltige Lösung, die wir unseren Kunden präsentieren. Deshalb haben wir auch aus unserer IT- eine Technologieabteilung geformt, die neue Perspektiven eröffnen soll. Ziel ist es, Qualität, Effizienz und Synergien zu steigern, unter Nutzung der dafür geeigneten Technologie.

Welche Lehren haben Sie aus den Pandemie-Ereignissen der vergangenen Jahre gezogen?

Corona war ein einschneidendes Ereignis, das in kürzester Zeit neue Lösungen forderte. Waren Videokonferenzen vorher außergewöhnliche Maßnahmen, so nutzten unsere Beschäftigten das Tool innerhalb kürzester Zeit wie einen Bleistift. Glücklicherweise hatten wir gerade vorher unsere IT-Infrastruktur in allen Büros und Niederlassungen synchronisiert, so dass wir überall mit dem gleichen Software-System arbeiten und dessen Nutzung auch aus der Ferne professionell unterstützen konnten. Zudem brachte das Home-Office ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ans Licht. Jetzt gilt es, die in der Notlage entwickelten Veränderungen in ein dauerhaft positives Arbeiten zu transformieren. Beispielsweise machten wir aus dem Home-Office das mobile Arbeiten, unabhängig vom Arbeitsplatz. Gleichzeitig wollen wir die Arbeit an einem gemeinsamen Ort wieder intensivieren, um den kreativen Input im Team zu verstärken und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.

Geschäftsführer Lutz Junge gewährt im Interview Einblicke in Unternehmen und Markt, er eröffnet Zukunftsperspektiven und wirft einen kritischen Blick auf die neuen Branchentechnologien.
»Die erwartete Leistung und die teils hohen Anforderungen stehen nicht immer mit der zu erwartenden Vergütung in Einklang.«

Kommen wir zum internationalen Geschäft: IPROconsult ist aktuell engagiert in Österreich und Marokko. Welchen Stellenwert haben die Auslandsgesellschaften?

Für uns ist es wichtig, dort vor Ort zu sein, wo unsere Kunden sind. Daher expandieren wir nicht in neue Länder und Regionen als Selbstzweck. Es ist uns außerdem ein Anliegen, die enge Bindung zumindest der Führungskräfte an das Stammhaus zu gewährleisten. Das funktioniert nicht bei einer aggressiven Expansion. Eine gute Partnerschaft ist uns wichtiger als die schiere Größe. Deshalb werden wir in Österreich kaum personell wachsen, aber unsere Marktposition qualitativ weiter ausbauen. In Marokko bieten sich viele Chancen für die Zukunft, auch wenn eine Arbeit mit dem Land selbst seit dem Heiko-Maas-Desaster und dem Einfrieren der Beziehungen durch den marokkanischen Staat schwierig ist. Von Rabat aus sind wir im Beratungsgeschäft aktiv und helfen beispielsweise, Umweltprobleme in Ländern mit schwankenden Klimabedingungen zu bewältigen.

In Deutschland ist die Muttergesellschaft IPRO Dresden AG beteiligt an verschiedenen Unternehmen. Konnten Sie Heidelmann & Klingebiel, das INC Ingenieurbüro Noske und die Ingenieurgesellschaft Pfeiffenberger gut in die IPRO integrieren?

Ja, das ist uns eigentlich mit allen Beteiligungen gut gelungen. Auch die Zusammenarbeit mit den fachlich gleich aufgestellten Standorten gestaltet sich hervorragend. Wir konnten viele Synergien heben, die sowohl der IPROconsult als auch ihren Schwestergesellschaften eine Effizienzsteigerung gebracht haben.

Die jüngste Schwestergesellschaft ist die von Ihnen gegründete regryd GmbH, die sich der Entwicklung und dem Einsatz eines modular einsetzbaren Hochtemperatur-Feststoffwärmespeichers widmet. Wo steht regryd heute?

Mit regryd haben wir einen der wenigen marktreifen und funktionierenden Energiespeicher für die Energiewende. Dieser arbeitet als Pufferspeicher für überschüssige volatile Wind- und Solarenergie oder industrielle Abwärme mit hoher Temperatur. Die eingespeiste Energie kann über Monate annähernd verlustfrei gespeichert und zeitversetzt abgerufen werden. Nach dem ersten Pilotprojekt in Serbien arbeiten wir derzeit an einem Piloten in Deutschland. Dank der möglichen Fördermittel können wir hier schon bald Fahrt aufnehmen.

Den drei Geschäftsbereichen Architektur und Hochbau, Infrastruktur und UEFA haben Sie einen Technologie-Bereich an die Seite gestellt. Wo stehen Sie hier?

Wie bereits erwähnt, entstand die Technologie-Abteilung aus der früheren IT. Da wir bei vielen Technologie-Entwicklungen heute über datenbasierte Lösungen reden, war dies ein logischer Schritt. Neue Technologien sind aber auch immer ein Ressourcenproblem: Software, Knowhow und Manpower entwickeln sich immer mehr zu bedeutenden Kostenfaktoren. Deshalb binden wir beispielsweise technologisch Interessierte aus den Geschäftsbereichen ein. Denn wir wollen nicht Vorreiter bei neuen Technologien sein, sondern bei deren Anwendung. Um jedoch Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen, bedarf es hoher Präzision bei der Aufgabenstellung für den Transformationsprozess. Da wir zielorientiert arbeiten, benötigen wir zudem valide Daten über die Bedürfnisse und Anforderungen des Marktes. 

Cloud-Lösungen, Virtual Reality, Künstliche Intelligenz oder digitale Projektmanagementlösungen sind aktuelle Technologien, die Sie weiterentwickeln. Was sind weitere technologische Zukunftsthemen?

Aktuell treten wir etwas auf die Bremse, weil viele unserer Kunden noch nicht so weit sind, den Nutzen zu erkennen. Beispielsweise ist ein Blick durch die Virtual-Reality-Brille für sie heute oftmals nur ‚nett‘. Deshalb muss es gelingen, VR in die bestehende Realität einzubinden, bei Umfeld und Detaillierung, um dann wirklich einen professionellen Blick auf die späteren Gegebenheiten werfen zu können und zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei dürfen wir aber nicht die Wirtschaftlichkeit der Aufträge aus dem Blick verlieren. 

Geschäftsführer Lutz Junge gewährt im Interview Einblicke in Unternehmen und Markt, er eröffnet Zukunftsperspektiven und wirft einen kritischen Blick auf die neuen Branchentechnologien.

Was können Sie als Generalplaner Ihren Kunden mehr anbieten als der Wettbewerb?

Wir sind ein guter Generalplaner und haben alle nötigen Gewerke seit langem an Bord. Wir bringen heute alles mit, was bei kleineren Marktteilnehmern durch externe Spezialisten ergänzt werden muss. Unsere Herausforderung ist es dabei, uns als Generalplaner immer weiter zu entwickeln. Den Erfolg dieser Bestrebungen sehen wir deutlich, wenn wir die heutige mit der IPROconsult von vor zehn Jahren vergleichen: Wir haben uns technologisch, qualitativ, methodisch und personell deutlich verbessert. Das wird uns auch in Zukunft gelingen. Dabei ist zu bedenken, dass den Generalplaner in erster Linie die Fähigkeit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausmacht. Deshalb legen wir Wert darauf, dass das Know-how von Generation zu Generation übertragen und verbessert wird.

Lassen Sie uns über Nachhaltigkeit reden: Welchen Beitrag leistet IPROconsult zur Energiewende?

Mit dem Energiespeicher regryd stellen wir uns mit einem selbst initiierten Projekt den gesellschaftlichen Forderungen der Energiewende. Auch intern steht für uns nachhaltiges Handeln ganz weit oben auf der Liste. Das reicht vom Einkauf von grüner Energie, geht weiter über mobiles Arbeiten, JobRad und TicketPlus bis hin zur Verantwortung des einzelnen Beschäftigten, der Ausdrucke reduziert oder anderweitig Ressourcen schont. Da wir jedoch Projekte nach den Kundenanforderungen umsetzen, sind wir beim Thema Nachhaltigkeit immer auf die Auftragsseite angewiesen.

Gibt es Leuchtturm-Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit, auf die Sie besonders stolz sind?

Da gibt es viele, wie unsere Planungen bei der „Erzeugungsstrategie 2030“ des Energieversorgers BS Energy oder das Pilotprojekt Nullenergie-Schule im sächsischen Wermsdorf. Auch unser Konzept zur nachhaltigen Stadtentwicklung von Marrakesch, das Umweltconsulting in China oder unser Engagement bei der Entwicklung des Programms Erosion-3D sind Projekte, die mich stolz machen.

In einem Satz: Was ist IPROconsult heute:

Wir sind als Generalplaner der planende und beratende Partner für die öffentliche Hand, private Investoren und Generalunternehmer auf der Grundlage modernster Planungstechnologie.

Das Interview führte Dominik Schilling.

Zur Kontaktseite