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Forschung an riesigen Scharrbildern

Seit Jahren untersucht Dr. Kerstin Hartsch mit einem internationalen Forscherteam die Nazca-Linien in Peru. Was die Arbeit am Weltkulturerbe so besonders macht, hat sie uns erzählt.

Expedition nach Peru

Wer Dr. Kerstin Hartsch über ihre Expeditionen nach Peru erzählen hört, der erlebt pure Leidenschaft. Denn dort, in einer unwirtlichen, lebensfeindlichen Wüste haben vor rund 2.000 Jahren Menschen der Paracas- und der Nazca-Kultur Linien in das Geröll und den Sand gescharrt. Auf einer Fläche von rund 500 Quadratkilometern gibt es schnurgerade Linien von bis zu 20 Kilometern Länge; es finden sich Dreiecke, Trapezflächen und zahlreiche Figuren – teils mehrere hundert Meter groß. Nur von den Hügeln der Umgebung und aus der Luft sind sie als Affe, Vogel oder Wal zu erkennen. Über Grund und Sinn dieser Zeichnungen gibt es nur Vermutungen. „Ich denke, die Scharrbilder haben rituelle Ursprünge und sicher etwas mit Wasser als existenzieller Grundlage in einem Wüstengebiet zu tun “, erläutert die Geowissenschaftlerin.

Seit 2004 beschäftigt sich die Leiteren des Bereichs Umweltconsulting bei IPROconsult mit den Nazca-Linien, ihrem „Baby“. Damals suchte die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Dresden Geowissenschaftler für eine Forschungsarbeit in der Pampa von Nasca. „Nach dem Bejahen habe ich meine Netzwerke angeworfen und bin dann mit einem Forscherteam aufgebrochen zur ersten Feldexpedition“, erzählt sie. Sie starteten „mit vielen Fragen, denen in insgesamt drei großen Messkampagnen sehr gezielt nachgegangen wurde.“ Die HTW begann sich bereits Anfang der 1990er Jahre den Linien zuzuwenden; ein Team von Vermessern aus Dresden folgte den Spuren von Maria Reiche. Die deutsche Lehrerin und Privatgelehrte forschte als Erste für mehr als 40 Jahre in den Linien – und erreichte 1994 die Aufnahme der Nazca-Linien in die UNESCO-Welterbeliste.

Militär kommt auf Motorrädern

Streng geschützt sind die Scharrbilder bis heute – sogar mit militärischen Mitteln. „Wer das Reservat betreten will, sollte einen Forschungsauftrag, guten Kontakt zu den Sicherheitskräften, eine schriftliche staatliche Genehmigung und entsprechendes Equipment vorweisen können“, erklärt Hartsch. Zur persönlichen Ausrüstung gehören literweise Coca-Tee, kompletter Sonnenschutz und spezielle Schuhsohlen: Diese Schaumplatten werden mit Klettverschlüssen unter den Schuhen befestigt, um Spuren durch Fußabdrücke in der empfindlichen Steinwüste zu vermeiden. Mit dem Pickup kommt man nur bis in die Nähe der Plateaus – dann erfolgt der Aufstieg mit Bergschuhen, die oben gegen Turnschuhe ohne Profil und Metall getauscht werden – zur Vermeidung von Artefakten bei geomagnetischen Messungen. Invasive Untersuchungen werden so minimiert, dass keine Veränderungen der Oberfläche erfolgen. Nach Abschluss der Messkampagnen wird die Einhaltung der Auflagen durch Luftbildaufnahmen des Kultusministeriums in Lima kontrolliert. „Diese Vorsicht ist wichtig, denn die Wüste merkt sich alles – beispielsweise sind Motorrad-Spuren aus den 1970er Jahren bis heute sichtbar.“ Die sehr hohen Temperaturen an der Oberfläche der Steinwüsten mit tagsüber fast 50 °C sind eine Herausforderung insbesondere für die Technik. Oft konnte nur eine Strandmuschel als einziger Sonnenschutz helfen.

Equipment für geophysikalische und -chemische Untersuchungen ebenso wie Unterlagen für die Prospektion, Probenahmen oder verschiedene Drohnen für Luftaufnahmen mussten getragen werden. Ziel der von Dr. Kerstin Hartsch geleiteten Expedition im März 2020 war es, die Entwicklung horizontaler und vertikaler Anomalien aufzudecken und mögliche Bausteine für ein künftiges Monitoringsystem zu entwickeln. Denn die Linien sind von Klimawandel und Erosion zunehmend beeinflusst. Wegen des Lockdowns liegt das gesammelte Probenmaterial bis heute in Peru. Sobald es in Europa und in den Labs der Pontificia Universidad Católica del Perú ist, soll es untersucht werden. Finanziert wurde diese Forschungsreise mittels Crowdfunding und den Geldern von deutschen und schweizerischen Privatiers.

Schaumplatten mit Klettverschlüssen unter den Schuhen vermeiden Fußabdrücke
Mit dem Pickup kommt man in die Nähe des Plateaus und der Aufstieg erfolgt zu Fuß

Ihre Ansprechpartnerin

Leiterin Umweltconsulting

Dr. Kerstin Hartsch

Die Entwicklung und Umsetzung neuer Projekte über Schnittstellen hinweg haben es Dr. Kerstin Hartsch angetan. Mit ihrem kleinen Team kümmert sie sich um den „Wassersektor“ im In- und Ausland. Von Erosionsprävention in Marokko bis zur hydrogeologischen Begleitung eines Autobahn-Neubaus in Hessen reicht das Spektrum der Arbeit.

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