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BIM-Pilotprojekt für die Landestalsperrenverwaltung des Freistaats Sachsen
ProjektLesedauer 7:39 Minuten
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Effizienter Neubau als BIM-Pilotprojekt

Ein Gebäude im Erzgebirge für die Landestalsperrenverwaltung des Freistaats Sachsen entwickelte sich in mehrfacher Hinsicht zu einem besonderen Projekt für die IPROconsult: Ende 2016 begann ein Team mit der Planung des Gebäudes nach der damals noch nicht erprobten Methode des Building Information Modelings (BIM). Während Planung und Bau konnten viele Erkenntnisse gewonnen werden und selbst ein Forschungsprojekt war möglich.

Ein nachhaltiges, effizientes Bauwerk als Grundidee der Planung

2016 gewann IPROconsult das VgV-Verfahren für den Neubau eines Betriebsgebäudes der Landestalsperrenverwaltung (LTV) in Eibenstock im Erzgebirge. Das Betriebsgelände befindet sich etwa vier Kilometer nördlich des Ortes unterhalb der Talsperre Eibenstock und wird im Norden und Osten durch die Zwickauer Mulde begrenzt. Das alte Betriebsgebäude konnte noch bis zum Einzug in den Neubau weitergenutzt werden, so dass kein großer Termindruck für den Neubau herrschte. Zudem galt es, die entstehenden Kosten über mehrere Geschäftsjahre zu strecken. Aus Sicht des Generalplaners erschien der Neubau durch seine Kubatur und Nutzung überschaubar und gut geeignet, um IPROconsult den Einstieg in eine Planung nach der Methode BIM (Building Information Modeling) zu erleichtern. So startete ein außergewöhnliches Pilotprojekt.

Die Grundidee der Planung des Teams um Architekt Martin Fink war ein nachhaltiges, effizientes Bauwerk. Das neue Betriebsgebäude ist ein zweigeschossiger, L-förmiger Baukörper der vorwiegend als Bürogebäude genutzt wird. Im Erdgeschoss befinden sich das Foyer, ein Ausstellungsbereich, zwei zusammenschaltbare Mehrzweckräume für maximal 120 Personen, ein Pausenraum mit Küche und Außenterrasse sowie verschiedene Technikräume. Im Obergeschoss erhielten 23 Büroräume, eine Lounge mit Teeküche und die Toiletten ihren Platz.

Dichte Gebäudehülle aus mineralischen Materialien

Die hochgedämmte, wärmebrückenfreie und luftdichte Gebäudehülle ist so konzipiert, dass sie im Winter die Wärmeverluste minimiert und im Sommer den Wärmeeintrag verhindert. Hierfür wird eine massive Bauweise mit diffusionsoffenen mineralischen Materialien und vorgehängter Schieferfassade eingesetzt. Diese können sowohl Temperaturen als auch Feuchtigkeit puffern. Ein Blower-Door-Test ergab eine Luftdichtigkeit, die deutlich über den in der Energieeinsparverordnung geforderten Werten liegt.

Die Fußbodenheizungen werden von einer Luft-Wasser-Wärmepumpe versorgt; die Warmwasserversorgung übernehmen aus Effizienzgründen dezentrale Durchlauferhitzer. Das Gebäude wird natürlich be- und entlüftet – nur der Mehrzweckraum und die WC-Räume wurden mit jeweils einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Zudem erhielt der Neubau ein extensives Gründach mit niedrigwüchsigen Pflanzen wie Moose, Sukkulenten, Kräuter und Gräser, die sich weitgehend selbst erhalten und fast ohne Pflege weiterentwickeln. Dieses Gründach wurde als Retentionsdach ausgeführt, um einen temporären Regenrückhalt zu gewährleisten. Es verfügt über ein eingebautes Leckortungssystem, welches eine punktgenaue Lokalisation und kostensparende Reparatur ermöglicht.

Die Fassade bekam eine klare waagerechte Struktur aus weißen Putzflächen und dem im Erzgebirge typischen Schiefer. „Der Schiefer ist eine Reminiszenz an die regionale Bautradition und ermöglicht eine kontrastreiche Bänderung, die sich mäandermäßig um die Fenster windet“, erläutert IPROconsult-Projektleiter Holger Baalhorn.

Konsequent nach Methode BIM

Das Betriebsgebäude der LTV war bei IPROconsult das erste Projekt, das bei Architektur, Tragwerksplanung und Technischer Ausrüstung konsequent nach der Methode BIM erstellt wurde. Zum ersten Mal wurden dafür beim Generalplaner auch Details in der Software Revit erstellt und auf Plänen ausgegeben. Auch die Brandschutzanforderungen wurden bei den Bauteileigenschaften hinterlegt, so dass im Nachgang effizient ein Brandschutzkonzept erstellt werden konnte.

Die Bauwirtschaft erprobte an diesem Objekt erstmals die modellbasierte Mengenermittlung und testete verschiedene Softwaretools. Um die Pläne und Modelle auch auf der Baustelle nutzen zu können, wurden zudem der Filehosting-Dienst Microsoft OneDrive und die Projektplattform BIM 360 von Autodesk getestet. Sie ersetzten jedoch noch nicht die ausgedruckten Baupläne.

Mehr Arbeitsaufwand in frühen Leistungsphasen

„Sicherlich bedeutet es bei der Methode BIM einen erhöhten Aufwand, alle Bauteile frühzeitig genau zu spezifizieren – im weiteren Projektverlauf holt man diese Zeit jedoch wieder auf, weil viele Arbeiten von späteren Leistungsphasen bereits früher erledigt wurden“, erklärt der Architekt. So muss beispielsweise eine tragende Wand zuerst mit all ihren Eigenschaften angelegt werden, bevor sie in die Planung aufgenommen werden kann. Davon profitieren dann im weiteren Projektverlauf unter anderem die Statiker, weil sie alle Spezifikationen für ihre Berechnungen bereits vorliegen haben.

Bei diesem Pilotprojekt kam erschwerend hinzu, dass viele Schritte komplett neu zu denken waren und beispielsweise Bauelemente mit ihren vielen Daten als Objekte in Produktfamilien anzulegen waren. Baalhorn betont: „Die so entstandenen Bibliotheken bildeten die Basis für alle weiteren Planungen und werden seitdem bei IPROconsult kontinuierlich ergänzt und erweitert.“ Der Nutzen ist klar: Wurde ein Waschbecken mit seinen Abflusswerten hinterlegt, stehen diese Daten beim Berechnen der Schmutzwasserleitungen sofort zur Verfügung. Denn bei den Planungen hat zwar jedes Gewerk sein eigenes Modell, aber diese Modelle sind über Schnittstellen miteinander verknüpft, so dass sie aufeinander aufbauen. Das gewährleistet eine höhere Sicherheit beispielsweise bei der Vermeidung von Kollisionen in der Leitungsführung.

Viel gelernt beim Pilotprojekt

Holger Baalhorn nennt verschiedene Lerneffekte bei diesem Pilotprojekt: So ist die bisherige Aufteilung der Arbeiten auf die Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) bei der Methode BIM nicht einzuhalten. Materialauswahl, Mauerwerk-Spezifikationen oder Dämmausführung müssen bereits in frühen Leistungsphasen definiert werden. Der Architekt müsse sich auch frühzeitig überlegen, wie das Gebäude später beschaffen sein soll. So hat sich zwar bis heute das Vorgehen gehalten, Konzepte zuerst einmal „von Hand“ zu machen, bereits in den Leistungsphasen zwei und drei müsse aber die genaue Bauweise definiert werden. Vom Keller bis zum Dach müsse die Planung sehr früh sehr konkret ausfallen.

Natürlich hat die Planung bei diesem Pilotprojekt deutlich länger gedauert als üblich. „Wir hatten viele Lektionen zu lernen“, sagt Baalhorn im Rückblick. „Heute gehen die Planungen dafür deutlich schneller – und wir zeichnen nicht mehr, sondern konstruieren und modellieren.“ Die Bearbeitung eines Projekts habe sich komplett verändert – der Gesamtprozess aber dank BIM verkürzt. Für Bauüberwacher Hendrik Teichmann war es beispielsweise ein Leichtes, auf seinem Tablet vor Ort jedes beliebige Planungsdetail einsehen zu können.

„MIT GESCHICK, ENGAGEMENT UND BREITEM WISSEN HABEN SIE BEWIESEN, DASS MIT VERTRAUENSVOLLER ZUSAMMENARBEIT UND GEGENSEITIGEM RESPEKT EIN BETRIEBSGEBÄUDE AUF EINEM SEHR HOHEN TECHNISCHEN STANDARD ZEITGERECHT UND KOSTENEFFIZIENT GEBAUT WERDEN KANN.“

Gerd Zobel 
Betriebsleiter Landestalsperrenverwaltung Eibenstock

Vorteile für die Kunden

Die Kunden profitieren heute – je nach Detaillierungsgrad – beim Betrieb des Gebäudes von den hinterlegten Daten: Raumhöhe, Wand- und Bodenbeläge, Fenstertypen mit zugehörigen Maßen oder sogar die Arten der Lichtschalter lassen sich schnell ablesen. In der Zukunft könnte die Landestalsperrenverwaltung das Modell nutzen, um ihr Facility Management zu automatisieren, Inspektions- und Wartungsintervalle festzulegen, Steuerung und Kontrolle der Heizung, Lüftung oder Schließanlage zu übernehmen. LTV-Betriebsleiter Gerd Zobel und sein Projektverantwortlicher Bau, Klaus-Peter Hirthe, wissen das zu schätzen. Zobel bedankte sich im Herbst 2020 schriftlich für die gute Arbeit: „Mit Geschick, Engagement und breitem Wissen haben Sie bewiesen, dass mit vertrauensvoller Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt ein Betriebsgebäude auf einem sehr hohen technischen Standard zeitgerecht und kosteneffizient gebaut werden kann. Als Nutzer dieses schicken neuen Gebäudes werden wir auch in Zukunft Ihre erbrachten Leistungen zu schätzen wissen.“

Projektleiter Holger Baalhorn freut sich, dass das Projekt so umgesetzt wurde, wie es geplant war. „Der VgV-Entwurf von Martin Fink erfuhr im weiteren Verlauf nur wenige Kürzungen und Änderungen. Heute steht in Eibenstock ein Gebäude, das perfekt auf die Nutzer abgestimmt ist. Das konnten wir nicht zuletzt wegen der engen Abstimmung mit dem Auftraggeber erreichen.“ Auch die tatsächlichen Baukosten von 3,95 Millionen Euro weichen trotz der langen Planungs- und Bauphase von rund vier Jahren nur um etwa sieben Prozent von der Ursprungskalkulation ab. Grund genug für den IPROconsult-Projektleiter, stolz zu sein.

Forschung am ersten lebendigen BIM-Projekt

Durch die langjährige Zusammenarbeit von IPROconsult mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden sowie dank der Einverständniserklärung des Auftraggebers durfte das Betriebsgebäude der Landestalsperrenverwaltung als Testobjekt für die anwendungsbezogene Forschung der HTW verwendet werden. Felix Gruner entwickelte als Master-Student gemeinsam mit Prof. Christian Clemen von der Fakultät Geoinformation und der TechNet (Technologie-Netzwerk Berlin e.V.) ein neuartiges Verfahren zur automatisierten Baufortschrittsdokumentation mittels Punktwolken. Während der Bauphase war der Student mit einem Team zum Laserscanning mehrfach vor Ort, nahm in den unterschiedlichen Bauphasen den Fortschritt auf und dokumentierte ihn. Die entstandene Punktwolke wurde dann in einem neuen Verfahren mit dem Gebäudemodell der IPROconsult verglichen.

Bei dem im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelten Verfahren wird das Modell nicht wie sonst üblich mit einzelnen Punkten der Punktwolke verglichen, sondern mit dreidimensionalen Ebenen, welche sich aus der Punktwolke generieren lassen. Diese sogenannten Ebenen-Patches geben Auskunft darüber, ob ein Modellelement termingerecht, lagerichtig und formtreu gebaut wurde. Die Ergebnisse des Vergleichs wurden dann direkt in die Datensätze der Bauteile in Revit geschrieben und können mit Filtern visualisiert werden. Das entwickelte Verfahren wird nun in reale Softwareprodukte integriert, wie die Software Scantra zur automatischen Registrierung von Laserscan-Punktwolken. Es ermöglicht zukünftig einen schnelleren und genaueren Vergleich von Soll- und Ist-Zustand des Gebäudes. Felix Gruner konnte sich mit seiner Arbeit zudem den 2. Platz des ÖbVI-Petersen-Preises sichern. Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur (ÖbVI) ist ein Organ des öffentlichen Vermessungswesens bzw. Träger eines öffentlichen Amts in Deutschland.

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